Der Hauch Gottes

Wenn man «Pfingsten» sagt, denken diejenigen, die mehr im Blick haben als einen freien Montag und die Ferien, vor allem an die Erzählung aus der Apostelgeschichte (Apg 2,1–13). Hier, im zweiten Teil seines literarischen Diptychons, erzählt der Evangelist Lukas, was nach der Auferstehung Christi passiert ist: Vierzig Tage hindurch erscheint der Auferstandene seinen Jüngern und erzählt ihnen über das Reich Gottes, bis er schliesslich in den Himmel aufgenommen wird. Und nach zehn Tagen, am fünfzigsten Tag nach Ostern (Griechisch «Pentēkostē» – davon auch das deutsche Wort «Pfingsten»), ist es endlich so weit – der verheissene Heilige Geist kommt:

Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. (Apg 2,1–4)

Das ist «Pfingsten» aus der Feder des Evangelisten Lukas.

Eine ganz andere Geschichte erzählt der Evangelist Johannes: Hier empfangen die Jünger den Heiligen Geist nicht am fünfzigsten Tag nach Ostern, sondern bereits am Ostersonntag und auf eine ganz andere Art und Weise. Es gibt keinen heftigen Sturm mit Feuerzungen, sondern einen sanften Hauch. Der Auferstandene haucht sie an und sagt: «Empfangt den Heiligen Geist!» (Joh 20,22). Das griechische Verb, das hier verwendet wird, kommt im Neuen Testament nur hier vor und auch im griechischen Alten Testament ist es rar. Doch bereits die erste Stelle dort ist sehr aussagekräftig. Denn hier geht es um die Schöpfung des Menschen im Buch Genesis, wo es heisst:

Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. (Gen 2,7)

Was will der Evangelist Johannes damit sagen? In diesem Fall muss man bei der Antwort tief durchatmen: Wie Gott damals Adam, haucht auch Jesus seine Jünger an und erschafft durch den Heiligen Geist einen neuen Menschen. Hier erfüllt sich die im Johannesevangelium verheissene neue Geburt (Joh 3,3) und ein neuer Mensch wird Wirklichkeit, wie es auch Paulus später schreibt (2 Kor 5,17). Ein neuer Mensch, der nicht mehr von seiner irdischen Vergangenheit, sondern von seiner himmlischen Zukunft bestimmt wird. Denn der Geist öffnet uns schon jetzt eine neue Dimension im Leben, damit wir «in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln» können (Röm 6,4). Machen wir uns also auf den Weg!