Wer eine Weile in Übersee verbracht hat, der wurde zweifelsohne mit einigen kulturellen Unterschieden konfrontiert. Einer von diesen Unterschieden ist der Wochenkalender. Denn dieser beginnt in den Amerikas in den meisten Fällen mit dem Sonntag. Das ist für uns etwas ungewöhnlich und es bringt am Anfang auch den einen oder anderen Termin durcheinander. Doch die Tatsache, dass der Sonntag in unserem Kulturkreis der erste Tag der Woche ist, ist vollkommen richtig und man kann es in der Bibel leicht nachlesen (vgl. Mk 16,2).
Etwas mehr Kopfübung braucht das Kirchenjahr: Dieses endet mit dem Ewigkeitssonntag bzw. mit der von diesem Sonntag eingeleiteten Woche und beginnt mit dem ersten Adventssonntag. Dies ist auch der Grund, warum diese Gemeindenachrichten nicht etwa die Nr. 6 tragen, sondern die Nr. 1. Ähnliches gilt für die grossen Feste im Kirchenjahr: Diese beginnen nach dem liturgischen Kalender nicht etwa am Morgen oder um 00:00 Uhr in der Nacht, sondern (wie der Sonntag auch) am Vorabend mit dem ersten Stern.
Nun könnte man fragen, warum wir uns diese Übung überhaupt antun, denn es braucht ein gewisses Mass an Abstraktion. Doch diese Abstraktion reisst uns aus dem Alltäglichen heraus und hilft uns zu verstehen, dass unser Leben noch eine andere Dimension hat: Dass es noch eine andere Zeit gibt, die unser Leben bestimmt, und eine andere Welt, die sich in dieser Zeit widerspiegelt. Und wenn es uns gelingt, diese Dimension im Alltag zu vergegenwärtigen, sodass sie auch hier zu unserer Wirklichkeit wird, stellen wir etwas Wunderbares fest: Wir leben in zwei Welten – wir leben nicht nur in einer irdischen Welt, sondern auch in einer himmlischen, die die irdische Welt überragt.
Dies bedeutet, dass alles Irdische in der himmlischen Welt seine Erfüllung findet und das Ende hier dort der Anfang ist. Dies spiegelt sich auf eine besondere Art und Weise auch in der Adventszeit wider: Wir bereiten uns auf Weihnachten vor und schauen auf die Geburt Jesu in Betlehem zurück. Doch zugleich schauen wir auch nach vorne, denn wir erwarten das zweite Kommen Christi. Und so hören wir in dieser Zeit im Gottesdienst nicht nur die Geschichten vom Anfang des Lukasevangeliums, die der Geburt Christi vorausgingen, sondern auch Abschnitte aus dem letzten Buch der Bibel, dem Buch der Offenbarung. Denn die Sonntage und Feste im Kalender haben ein bestimmtes Ziel: Wir sollten uns immer wieder mehr dessen bewusst werden, dass «unser Bürgerrecht im Himmel ist» (Phil 3,20), wie es der Apostel Paulus schreibt.